Du und ich Teil 4

Meine Eltern haben mal erwähnt, dass es zu ihrer Zeit so was wie Internet oder Facebook gar nicht gegeben hat. Und seit heute weiß ich, wie dankbar ich dafür wäre, wenn es immer noch so wäre.
Es ist der Samstag vor dem dritten Advent. Ich hatte keinen Bock auf irgendwelche sonst wie gearteten Weihnachtsfeiern, die immer in einem Zustand alkoholisierter Benebelung enden. Nur die Art des Zustand ist die Frage. Ich wollte nur meine Ruhe haben. Ich bin auch etwas angeschlagen. Lisa wollte auf irgendeine Weihnachtsfeier gehen. Meine Mitbewohner auch. Du hast auch was vor. Ich wusste, dass ich heute Abend Ruhe haben werde. Ich werde lesen, Tee trinken und früh ins Bett gehen. Ich schaue aus dem Fenster und es beginnt zu schneien. Kurz vor Weihnachten ist das auch gut so. Weiße Weihnachten ist wirklich was Tolles. Ich beobachte die Schneeflocken, als das Telefon läutet. Ich fluche. Ich habe Handy ausgeschalten, damit mich keiner belästigt. Ich öffne die Tür und warte. Der AB geht ran. Eine Nachricht von Bernd.
„Hey, altes Haus. Du solltest unbedingt mal deine Messages lesen oder dein Handy anschalten. Es ist dringend!“
Danach legt er auf. Ich gehe zu meinen Laptop und schalte ihn ein. Er braucht etwas zum Hochfahren. Mails werden geholt. Und eine Meldung poppt auf, das ich mehrere Mails haben. Ich lese die Überschriften. Ich habe ein paar Mails von Facebook, in denen steht, dass du, dein Thomas und Bernd mir einen Nachricht geschrieben haben. Ich ordne sie in meinem Kopf nach Wichtigkeit und beschließe, die unwichtigste zu erst zu lesen. Ich öffne die Nachricht von deinem Thomas. Es ist ein Faustschlag in die Magengegend. Ich kenne das Foto. Du hast es mir auch schon geschickt und ich habe es gelöscht. Thomas hat noch eine böser Kommentar hinzugefügt. Ich ziehe deine Nachricht vor und sie erklärt das Foto von Thomas, was das Ganze nicht einfacher macht.
Meine Gedanken fahren Karussell. Ich versuche klar zu denken und die Gedanken zu ordnen. Ich muss jetzt festlegen, wem ich in welcher Reihenfolge antworte.
Ich frage deinem Thomas über Facebook, was die Scheiße soll und wie vielen er die Fotos geschickt hat. Ich sehe, dass er sofort eine Antwort schreibt und darum warte ich auf sie. Die Antwort sitzt tief. Er hat es allen seinen Freunden geschickt und sein Kumpel hat es im Klassenchat von dir gepostet. Ich frage ihn, ob er noch richtig tickt und schmeiße ihn aus meiner Freundschaftsliste.
Ich schreibe dir in einer SMS die schlechten Nachrichten, die ich gerade erhalten habe. Aber statt abzuschicken, lösche ich sie. Ich schreibe dir nur, dass du dich melden sollst. Ich weiß, dass du gerade im Kino bist und die Fahrt nach Hause etwas dauert wird. So habe ich noch etwas Zeit. Ich überlege, was ich Lisa schreibe. Ich fange an und lösche es wieder, weil es entweder doof ist, beleidigend oder zeigt, wie mich das Ganze verletzt und ich mich wie ein eifersüchtiger Depp anhöre. Es poppt eine Meldung auf, die mir sagt, was du wissen möchtest, ob ich Zeit für dich habe. Ich schreibe dir nur ein ‚Ja!‘ und nur ein paar Sekunden später höre ich das Telefon läuten. Du begrüßt mich freudig und fällst gleich mit der Tür ins Haus. Dir ist die letzten Tage so viel durch den Kopf gegangen und du willst nicht mit Thomas zusammen sein. Es geht halt nicht.
„Das hat nicht zufällig was mit mir zu tun?“
„Ja und nein. Ich empfinde zu wenig für ihn. Wirklich! Ich möchte dich über Weihnachten oft sehen.“
„Und was ist mit Lisa?“, will ich wissen.
„Die ist egal. Ich weiß genau, was ich machen muss, um dich zu verführen.“
„Was ist mit Treue? Vielleicht liebe ich sie ja wirklich?“
„Ach. Ich weiß, dass dem nicht so ist. Sonst wärst Du mit ihr jetzt unterwegs und würdest nicht zu Hause rum sitzen.“
Die Worte sitzen, weil du Recht hat. Ich bin genervt von Lisa, weil sie eifersüchtig ist. Sie hat ja auch allen Grund dazu. Sie wollte wirklich wissen, mit wem ich heute Abend was unternehme.
„Ich wäre mir da gar nicht so sicher.“
„Ich freue mich auf den 23ten. Ich werde ich abholen. Mit deinem Bruder zusammen. Ich habe das schon mit ihm ausgemacht.“
„Ich glaube, dass du momentan ganz andere Sorgen hast.“
„Warum?“
„Hast du die letzten Nachrichten gelesen.“
„Nur deine SMS. Die kann ich ja auch unterwegs lesen.“
„Dann lasse das andere Mal bleiben. Thomas hat dein Nacktfoto an alle seine Freunde geschickt. Sein Kommentar war nicht sehr lieb. Außerdem wurde es auch in deinem Klassenchat gepostet.“
Es entsteht eine lange Pause. Ich höre, wie du zu weinen anfängst. Leise Tränen.
„Woher weißt du das?“
„Er hat es an mich geschickt und als Kommentar dazu geschrieben, dass du jetzt wieder freie Termine hast. Dienstag, Mittwoch und Sonntag sind aber schon vergeben an andere.“
„Ich werde nachschauen.“
„Lass es! Bitte!“
Du legst das Telefon weg. Kurze Zeit später kann ich dich nur noch weinen, schluchzen und schimpfen hören. Das Telefon hast Du ganz vergessen.

Ich rufe meine Cousine über das Handy an. Ich sage ihr, dass sie unbedingt bei dir vorbei schauen soll. Ich bitte sie auch noch darum, dass sie das Telefon auflegen soll. Das macht sie auch.
Ich schreibe Lisa noch eine SMS und wünsche ihr einen genussvollen Abend. Dann ziehe ich mich an und verlasse die Wohnung. Ich mache einen Spaziergang und genieße es, wie die Schneeflocken auf mich fallen. Auf die Straße. Den Gehweg. Die Autos. Und wie sie meist schmelzen, nur kurz da sind, kurz ihre Schönheit zeigen, aber dann nur noch Wasser sind, aber auch hier und da liegen blieben. Und ich denke dabei an dich. Wie viel Schnee wird es bei dir sein.

Ich weiß nicht, wie lange ich unterwegs war. Als ich die Haustüre öffne, sehe ich Lisa auf der Treppe sitzen. Ihre Augen sind verheult. Sie hat nur eine dünne Jacke an. Und ein kurzes Kleid. Es ist zwar Winter, aber zu einer Weihnachtsfeier kommen die Leute manchmal fast in Sommerkleidung oder irgendwas für den Übergang. Sie steht auf und steckt ihre Hände in die Jackentasche.
„Es tut mir leid.“
„Wie lange sitzt du schon da?“
„Seit einer Stunde. Wo warst Du?“
„Ich habe einen Schneespaziergang gemacht.“
„Nachts von Mitternacht bis eins?“
„Nein. Ich bin schon um elf raus. Komm hoch und wärm dich auf.“

Lisa folgt mir in mein Zimmer. Sie setzt sich auf das Sofa und ich gebe ihr noch eine Decke.
„Tee?“, frage ich.
Sie nickt. Ich nehme mein Handy und gehe in die Küche. Dort fülle den Wasserkocher. Ich schalte ihn ein und bereite zwei Teetassen vor. Anschließend schaue ich nach, ob mein Handy von verschiedenen Messagediensten belästigt wurde. Dem ist auch so. Ist aber nur meine Cousine. Sie schreibt mir nur, dass du jetzt im Bett bist. Die Eltern haben dir was zum Schlafen gegeben und das du gleich schläfst. Ich schreibe ihr noch Danke.

Ich mache den Tee fertig und bringe ihn Lisa. Lisa und ich sitzen uns gegenüber. Ich schaue Lisa in die Augen. Lisa schaut mich an. Ich sehe, dass sich ihre Augen mit Tränen füllen. Ich fange an, vor mich hin zu starren. Und ich hänge meinen Gedanken nach. Sie sind bei dir. Meine Hände umfassen die Tasse.
Ich spüre Lisas Hand auf meiner und schaue sie an.
„Willst du mit mir reden?“
Ich schweige. Denn meine Gedanken sind immer noch bei Dir. Ich male mir aus, welche Nachrichten du bekommen hast.
„Kannst du nicht mal was sagen? Soll ich gehen?“
Ich hebe den Kopf und schaue Lisa an. Ihr laufen die Tränen runter.
„Es tut mir leid!“, fährt sie fort. „Es ist nichts weiter.“
Ich nicke.
„Wahrscheinlich nur, weil ich dich zu früh mit einer Nachricht belästigt haben.“
Lisa senkt den Blick und nickt.
„Wie weit wart ihr schon? Hat er schon seine Hand unter Deinen BH geschoben? Oder vielleicht in das Höschen?“
„Bitte! Es tut mir leid. Hättest du mir nicht geschrieben, hätte er mich bestimmt dazu gebracht, das ich mit ihm schlafe.“
„Und du hättest nicht gewollt?“
„Bitte, hör auf.“
Ich nehme meine Tasse und ziehe sie zu mir. Ihre Hände lösen sich von meinen. Ich trinke den Tee. Da der Tee schon trinkwarm ist, trinke ich ihn auf einmal aus. Anschließend stehe ich auf und verlasse das Zimmer. Lisa schaut mir nach.
„Ich wollte. Ich habe ihn gesehen. Und hat mich wieder angemacht.“
Ich höre an der Stimme, dass sie mir folgt.
„Ich habe es mir gefallen lassen. Vielleicht habe ich ja auch so einen Kontakt wie du mit deiner… Keine Ahnung, wie sie heißt. Vielleicht wirst du ja auch eifersüchtig.“
Ich stelle meinen Tasse ins Spülbecken, nehm mein Handy und drehe mich rum. Lisa steht hinter mir. Ich entsperre mein Handy und zeige ihr das Photo von dir und deinem Ex-Freund in enger Umarmung. Küssend.
„Wer ist sie?“, fragt sie mich.
„Sie ist drei Jahre jünger als ich. Auf dem Geburtstag meiner Cousine vorletztes Jahr habe ich sie bei Wahrheit oder Pflicht küssen müssen.“
Lisa fängt zu lachen an.
„Sie ist verliebt in Dich?“
Ich verdrehe die Augen.
Lisa lacht wieder.
„Sie schwärmt für dich und ich bin eifersüchtig auf sie. Oh Mann. Das darf nicht wahr sein.“
„Ich finde das nicht lustig!“
Lisa beruhigt sich wieder.
„Ist es auch nicht. Aber ich hätte einfach mal fragen sollen. Ist sie die Freundin von deiner Cousine, die du schon seit Jahren ärgerst?“
„Genau!“
„Komm!“, sagt Lisa und verlässt das Zimmer. Ich folge ihr.

Lisa sitzt wieder auf dem Sessel und ich auf dem Schreibtischstuhl. So wie vorhin. Sie schiebt ihr Kleid etwas hoch. Ich sehe ihr Höschen.
„Das bedeutet nicht, dass ich Dir auch verziehen habe.“
„Ich weiß! Es tut mir leid!“
„Waren nur seine Finger dort oder auch was anderes.“
„Nur seine Finger.“
„War zu wenig, oder?“
Lisa nickt.
„Na, dann komme. Ich werde das mal ändern.“
„Mit Finger, Zunge und ihm?“
Ihr Blick wandert zu der meinem Becken. Er meldet sich auch schon zu Wort.
„Klar! I do my very best!

Am nächsten Morgen holt mich mein Handy aus dem Schlaf. Bis ich aufgestanden bin und mir was angezogen habe, hat es schon wieder aufgehört. Ich nehme es und sehe, dass du angerufen hast. Vom Festnetz aus.
„Wer war das?“
„Die Kleine, die ich so gerne ärgere. Sie hat jetzt richtigen Ärger.“
„Wieso?“, fragt Lisa nach.
„Sie hat mit ihrem Freund Schluss gemacht und der hatte nichts besseres zu als ihre Aktfotos zu verschicken. Das erste ging an mich. Wegen dem Kuss damals und unserem doch immer noch sehr guten Verhältnis. Ich habe ihr gestern gesagt, dass ich das erhalten habe.“
„Das ist echt Scheiße!“
„Da hast du Recht! Ich rufe mal zurück!“
Ich verlasse das Zimmer. Ich rufe dich auf dem Handy an. Aber das ist abgeschalten.
„Scheiße!“, entfährt es mir.
Auf dem Festnetz kann und soll ich nicht anrufen. Ich gehe in die Küche und schaue auf die Uhr. Es ist kurz nach sieben. Also kann ich meine Cousine noch nicht anrufen. Da läutet mein Handy ein zweites Mal. Ich gehe ran und höre deine Stimme. Sie hört sich gar nicht gut an.
„Meine Eltern haben mir das Handy weggenommen. Den Laptop. Das Tablett. Und ich habe Hausarrest bis nach den Weihnachtsferien.“
„Ich verstehe Bahnhof!“
„Sie geben mir die Schuld! Ihre liebe Tochter macht Nacktfotos von sich und verschickt sie!“
Ich ärgere mich über das Verhalten der Eltern.
„Die sind echt doof!“
„So was macht man nicht!“, sagst du zynisch. „Was sagen die anderen? Die Verwandtschaft?“
„Das macht man ja auch eigentlich nicht!“, muss ich deinen Eltern auch zustimmen. „Aber das ist jetzt total egal. Sie sollten hinter beziehungsweise vor dir stehen. Was sage die zu dem Verhalten von Thomas?“
„Der kann gar nichts dafür, wenn ich ihm so was schicke!“, sagst du mit viel Hass in der Stimme.
„Hast du es denen nicht erklärt?“
„Doch. Ich wollte und hab total falsch angefangen. Ich habe ihnen gesagt, dass du mir Bescheid gesagt hast, dass die Fotos von mir verschickt worden sind. Und da brauchte ich gar nicht mehr weiter reden. Sie wollten nur noch wissen, was ich mit dir zu schaffen habe?“
„Mist!“, entfährt es mir.
„Sie haben die Nachricht von Thomas Kumpel an den Klassenchat gelesen. Da habe ich nicht mehr viel sagen brauchen.“
„Was stand da drin?“
„Ich weiß es nicht. So weit kam ich noch gar nicht. Sie haben die auch von uns beiden gelesen.“
Da höre ich, wie jemand mit mir spricht. Es ist deine Mutter.
„Mit wem telefonierst Du?“
Sie sagt meinen Namen.
„Du legst sofort auf.“
„Ich liebe Dich.“, sagst du.
Es kommt noch ein Kuss hinterher und dann ist die Verbindung unterbrochen. Ich halte das Handy vor mich und schaue verdutzt. Was sollte der letzte Satz? Willst du deinen Eltern provozieren?

Ich frühstücke noch gemütlich mit Lisa und den anderen aus der WG. Anschließend schicke ich Lisa nach Hause. Ich bitte um Bedenkzeit, obwohl ich die Antwort schon kenne. Es beruhigt mein Gewissen und damit sind meine Gedanke wieder bei dir. Ich schreibe meiner Cousine eine Nachricht, denn ich will wissen, was so schlimmes im Klassenchat steht, das du solche Probleme bekommen hast. Sie leitet mir die Nachricht weiter. Den genauen Wortlaut brauche ich hier nicht wieder geben. Du kennst ihn. Er ist so was von unter der Gürtellinie. Es wird auch auch Teil der Geschichte beleuchtet. Ich war dein Erster und habe dich gut eingeritten. Es hört sich schon wie ein Kompliment an. Außerdem ist sich Thomas sicher, dass du noch dich mit anderen paarst, weil es immer wieder Tage gab, an denen du nicht von ihm gevögelt werden wolltest. Als ob das als ein Argument ist. Du kamst nachts zu mir, nachdem du und Thomas es schon miteinander geschlafen haben, nur damit es nicht auffällt. Wie oft kamst du nachts zu mir und es war nichts außer halten und reden. Meist haben wir uns dann sehr früh geliebt. Kurz bevor du gehen musstest. Seine Kommentare tut nur noch weh. Ich denke mir, was ist das für ein Arsch, das er mit einer Trennung so umgeht. Das schlimmste ist, das deine Eltern dir die Schuld geben und mich dafür verantwortlich machen.

Es ist Dienstag. Später Nachmittag. Vorlesung ist vorbei. Ich kontrolliere mein Handy. Keine Nachricht. Du kannst mir ja keine mehr schreiben. Früher haben wir dienstags mal mittags telefoniert. An dem Tag hast du ja lang. Ich konnte mich die letzten Tage kaum auf was konzentrieren. Keine Ahnung, wie es dir geht. Ich denke oft an dich.
Lisa hat die Bedenkzeit von mir ignoriert und mich gestern nach dir gefragt und wollte wissen, wie es mir geht. Warum sie das gemacht hat, weiß ich nicht. Bestimmt ist sie immer noch eifersüchtig und hat Angst, dass ich aus Mitleid vielleicht in den Weihnachtsferien doch was mit dir anfange. Da konnte ich sie beruhigen. Man kann nichts anfangen, was schon längst läuft. Das habe ich natürlich nicht erwähnt. Abends fragte sie nach, ob ich nicht Hunger habe. Sie hat zu viel gekocht. Ich verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und bin zu ihr. Essen war echt lecker und der Abend war auch nicht schlecht. Ihr Bett ist immer noch zu schmal für zwei zum Schlafen. Ich finde es zu schmal. Klar ist mein Bett zu Hause auch nicht breiter und wir schlafen dort immer zu zweit, aber das ist was anderes. Ich war froh, dass ich bei ihr war, weil ich sonst nur an dich gedacht hätte. Ich konnte schon von Sonntag auf Montag kaum schlafen. Ich lief gestern Nacht noch nach Hause. An der Bedenkzeit hat sich nichts geändert, aber Lisa und ich werden uns zwischendrin auch mal sehen. Es läuft wahrscheinlich eher auf Lustbefriedigen heraus. Die Bedenkzeit will ich auf jeden Fall über Weihnachten haben.
Ich sperre gerade mein Fahrrad auf, als mein Handy klingelt. Die Nummer ist mir unbekannt. Ich gehe ran und sage meinen Namen. Du bist am anderen Ende der Leitung.
„Überrascht?“
„Klar.“, gebe ich zurück. „Wie geht es dir?“
„Mir geht es jetzt gut. Holst du mich ab?“
Ich weiß jetzt nicht, was ich dazu sagen soll. Ich glaube mich verhört zu haben.
„Bist du auf dem Weg hierher?“
„Ja! Ich habe heute Schule geschwänzt! Ich habe es nicht ausgehalten! Ich bin heute früh einfach in den Zug gestiegen.“
„Wann bist du da?“
„In circa zwanzig Minuten. Ich komme auf Gleis vier an.
„Das schaffe ich kaum. Ich werde mich beeilen.“

Ich sperre mein Fahrrad wieder zu und renne zur Straßenbahnhaltestelle. Ich erreiche gerade noch die Straßenbahn. Die fährt direkt bis zum Hauptbahnhof. Ticket habe ich natürlich keines dabei. Das fällt mir erst auf, als sie schon losgefahren ist. Kaufen kann ich hier keine. Ich hoffe, dass sie mich nicht erwischt. Normalerweise merkt man mir das gleich, dass ich keinen habe, aber jetzt ist da eine große Vorfreude. Ich erreiche gerade noch rechtzeitig das Gleis, als der Zug einfährt. Ich schaue in jeden Waggon, der vorbei fährt, ob ich dich erkennen kann. Aber ich sehe dich nicht. Ich muss erst zwei Mal hinschauen, um dich zu erkennen. Du hast dir die Haare abgeschnitten und blond gefärbt. Ich muss lächeln und dich bewundern. Du hast das wahrscheinlich schon seit Sonntag geplant. Ich umarme dich und du drückst dich ganz fest an mich. Ich spüre, wie alles, was sich in den letzten zwei Tagen bei dir aufgestaut hat, rauskommt. Ich halte dich nur fest.

Ich konnte dich nicht heimlich an meinen Mitbewohnern vorbei in der WG gekommen. Lisa hat auch angerufen und wollte wissen, ob ich heute Abend schon was vor habe. Ich musste die Frage mit ja beantworten und ich habe sie auch gebeten, mich nicht mehr anzurufen. Ich rühre mich bei ihr. Das wird übermorgen sein. Ich merkte, dass das Lisa nicht passte, aber manchmal geht es nicht anders. Es wird schon stressig genug, wenn Lisa von deinen Besuch erfährt. Heute Abend brauche ich bestimmt keinen, um schlafen zu können. Ich ging schon im Kopf meine Vorlesungen für morgen durch, um zu überlegen, was ich ausfallen lassen kann.
Du gibst mir einen Zettel mit irgendwelchen Buchstaben und Zahlen.
„Das ist mein Passwort. Kannst du mal nachschauen, was da so drin steht.“
„Aber nur, wenn du mir versprichst, dich irgendwo hinzusetzen und zu warten, bis ich fertig bin. Und ich sage dir dann, ob du vielleicht dir einen neuen Account anlegen solltest und eine neue Handynummer.“
„Ich mache das!“, sagst du erleichtert und umarmst mich noch mal.
Du setzt dich auf mein Bett. Ich nehme meinen Laptop und setze mich an den Küchentisch. Ich lese mir die Scheiße durch und dass, was ich da lese, ist wirklich widerwärtig. Wie viele Angebote unmoralischer Art du erhalten hast, ist der Wahnsinn. Zum Glück ist Thomas gerade weit weg. Ich würde ihn umbringen. Wenn ich das lese, dann verstehe ich, warum sich da mache Mädchen schon umgebracht haben. Ich erspare dir die Details. Ich erspare dir alles, was da drin steht.

Nach zwei Stunden hatte ich genug und ich hatte nicht mal alles gelesen. Meine Cousine wurde angefeindet, weil sie dich in Schutz genommen hat. Auch andere aus der Klasse, die angemerkt hatten, dass das Mist ist, wurden angefeindet. Ich gehe zurück in mein Zimmer. Du liegst auf dem Bett. Schlafend. Das Buch neben dir. Morgen früh muss ich dich zum Friseur schicken. Da muss ein Schnitt rein und eine andere Farbe als wasserstoffblond.
Ich gehe zurück in die Küche. Mein Handy blinkt. Ich lese die Nachricht meiner Cousine und rufe deine Eltern an. Ich sage ihnen, dass ich gerade eine Nachricht erhalten habe, dass du von zu Hause abgehauen bist. Sie fragen mich gleich, ob ich wüsste, wo du bist und ob du nicht gerade bei mir bist. Sie misstrauen mir schon sehr. Da ich in der Küche telefoniere, kann ich diese Frage mit nein beantworten. Ich verspreche ihnen, dass ich mich rühren werde, wenn du dich das nächste Mal bei mir meldest. Ich werde mich heute Abend noch bei ihnen melden müssen.

Ich gehe wieder in mein Zimmer. Ich nehme dir das Buch weg und decke dich zu. Da wachst du auf. Du fragst mich nach der Uhrzeit. Es ist erst neun. Für dich ist es schon neun. Ich muss dir auch das mit deinen Eltern gestehen und das ich werde ich heute nicht mehr lange auf sein werde. Wir essen noch was zusammen. Dann gehen wir uns duschen. Nacheinander, weil die Dusche zu klein ist. Ich lasse dir den Vortritt und nutze die Zeit, um deine Eltern anzurufen. Wir haben die Geschichte beim Essen abgesprochen.
Ich lege mich neben dich ins Bett. Du gibst mir einen Kuss.
„Kannst du mich einfach halten?“
„Klar! Dreh dich rum!“
Ich löffle dich. Mein Arm liegt zwischen deinen Brüsten. Ich spüre, wie deine Nähe meinem Glied nicht gut tut. Ich will mich weg drehen, aber du sagst, ich soll so bleiben und dass dir das gefällt. Er wächst und du spürst ihn immer mehr. Du reibst dich an ihm.
„Möchtest du das wirklich?“, frage ich dich.
„Ich habe heute oft daran gedacht. Ich war mir sicher, dass ich nicht will. Aber jetzt hier bei dir fühle ich mich sicher. Vielleicht sollte ich das auch nicht. Wer weiß. Aber gerade ist es so.“
Du ziehst Dein Nachthemd hoch und ich meine Schlafanzughose runter. Als ich in Dich eindringe, stöhnst du auf. Als ich in Dir komme, kommst du auch gerade. Danach hältst du einfach meine Hand fest, die zwischen deinen Brüsten liegt. Du küsst noch mal meine Hand. Ich sage gute Nacht und du wünscht sie mir auch. Wenig später schläfst du schon und ich auch.